Heilpilztraditionen des Ostens
In verschiedenen Traditionen, vor allem in der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM), spielten Heilpilze eine wichtige Rolle. Sie haben erkannt, dass Heilpilze helfen können, die Gesundheit zu schützen und ihr zugute zu kommen, wie auch verschiedenen Zuständen und Krankheiten vorzubeugen und zu behandeln.
Gesundheit ist ein wichtiges menschliches Bedürfnis. Wenn sie mit einer Krankheit konfrontiert werden, verlassen sich Menschen auf Instinkte, Glauben, Glück, vergangene Erfahrungen, Versuch und Irrtum. Obwohl die frühen Menschen hauptsächlich glaubten, dass böse Geister Krankheiten verursachten, basierten sie ihre Medizin auf Beobachtung. Frühe Zivilisationen sammelten das Heilwissen seit tausenden von Jahren, es durch mündliche Überlieferung auf die nächste Generation übertragend. Auf diese Weise wurde die traditionelle Medizin geboren, lange vor der geschriebenen Geschichte.
Heilpilze in der Traditionellen Chinesischen Medizin
Heilpilze wurden in der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM) seit tausenden Jahren (Schätzungen variieren von 3-7.000 Jahren) verwendet. Die älteste offizielle Liste von 365 medizinischen Substanzen, Shennong Bencao Jing, beinhaltet die materia medica von TCM, die aus dem 29. Jahrhundert v. Chr. datiert. Die Liste beinhaltet mehrere Pilzarten, die für medizinische Zwecke verwendet wurden; besonders geehrt wurde der berühmte Ganoderma-Pilz (Ganoderma lucidum, Glänzender Lackporling, Chinesisch: Lingzhi, Japanisch: Reishi oder Mannentake).


Berühmter Taoist-Meister und Arzt Tao Hongjing (456-536 n Chr.) schrieb Bencao Jing Jinzhu (auch bekannt als Tujing yanyi bencao), eine Erweiterung des Shennong Bencao Jing. In ihm wurden sogar mehr Heilpilzarten für ihre Heilungsfähigkeit berichtet.

Obwohl er extrem gut erforscht wurde, gibt es bis zu dem heutigen Zeitpunkt keine offiziellen Arzneimittel aus Ganoderma.
Seit ca. 600-1000 n.Chr. haben die Chinesen Anbaumethoden für viele Heilpilze und kulinarische Pilze entdeckt, um die ständig steigende Nachfrage nach Nahrung und wirkstarken Arzneimittel zu befriedigen. Der berühmte Shiitake -Pilz (Pansaniapilz, Lentinus edodes, Chinese: Xiang gu) wurde zum Beispiel von etwa 1000 n.Chr. in großem Umfang kultiviert.
Andere medizinisch wichtige Arten, die in China traditionell kultiviert oder in der Wildnis gesammelt und verwendet wurden schließen folgende Pilze ein:
- Auricularia auricula-judae (Judasohr, Black Fungus)
- Pleurotus ostreatus (Austern-Seitling)
- Flammulina velutipes (Enokitake)
- Grifola frondosa (Maitake, Laubporling)
- Tremella fuciformis (Silberohr)
- Tremella mesenterica (Goldgelber Zitterling)
- Tricholoma matsutake (=caligatum)
- Volvariella volvacea (Dunkelstreifiger oder Schwarzstreifiger Scheidling)
wie auch die ungenießbaren, reinen Heilpilzarten, wie z.B.:
- Poria cocos
- Cordyceps sinensis
- Fomes fomentarius
- Ganoderma lucidum
- Phellinus linteus
- Piptoporus betulinus
- Trametes versicolor
und viele andere.
Der Respekt vor Pilzen als eine wichtige Nahrungsquelle und Medizin, begann im Fernen Osten früh zu wachsen.
Die wichtigste TCM – Abhandlung ist zweifellos ein Monumentalwerk von Li Shizhen (1518-1593), das im Jahre 1578 publiziert wurde und Bencao Gangmu heißt; eine Krönung seiner 26 Jahre Feldstudie und seiner Studie von über 800 medizinischen Referenzbüchern. Dieses 53-bändige Kompendium der Materia Medica, wie es auch genannt wird, referenziert und beschreibt gründlich 1,892 medizinische Substanzen (444 tierische, 1,094 Kräuter-, und 275 minerale Substanzen; und 20 Arten von Heilpilzen) und fast 11.100 detaillierte Rezepturen (über 8,000 wurden von Li Shizen selbst kompiliert). Li war der erste, der Destillation, Ephedrin, Jod und sogar auch Pockenimpfung beschrieb und diese auch verwendet hat.


Unlängst haben die zwei chinesischen Universitätsprofessoren Liu Bo und Bau Yun-sun zahlreiche Informationsquellen über die traditionellen Erfahrungen und die Verwendung von Heilpilzen in ihrer Arbeit aus dem Jahre 1980 Fungi Pharmacopoeia (Sinica) zusammengestellt. Die Autoren beschreiben über 120 Heilpilzarten und beinhalten Krankheiten und Zustände, für welche die Pilze verwendet werden sowie die Details ihrer Verwendung in der traditionellen Medizin.

Im Jahre 1987 publizierten fünf chinesische Wissenschaftler (Ying u.A.) die Bildzeichen von Heilpilzen aus China, in welchen 272 Heilpilzarten erörtert werden.

Im Jahre 2013 publizierten Wu Xingliang, Mao Xiolan u.A. die Heilpilze von China mit 835 Heilpilzarten, über 500 mit Antitumor-Wirkungen. Die Bibliographie ist enorm: die Autoren verwendeten ca. 2400 wissenschaftliche Artikel, die Forschungsgeschichte, Einführung in die chemischen Stoffe und biologische Aktivität, wie auch Anwendungsperspektiven beinhalten. Leider ist dieses Buch noch immer nur auf Chinesisch erhältlich.

Bis 2015 hat die Forschung medizinische Wirkungen in über 850 Pilzarten gefunden.
Traditionell wurden Heilpilze in Wasser durch Kochen extrahiert, eine Art Tee oder Suppe kreierend. Das kreiert einfache Heißwasser- partielle Extrakte aus Heilpilzen – die Forschung hat gezeigt, dass moderne Extraktionsverfahren um ein Vielfaches mehr aktive Inhaltsstoffe ergeben können.
Die Pilzindustrie Chinas boomt. In den vergangenen 25 Jahren ist die Pilzproduktion Chinas 150-fach gewachsen; im Jahre 1977 entfiel auf China weniger als 6 % der gesamten Pilzproduktion. Heute arbeiten über 35 Million Menschen in China in der Pilzindustrie (Lebensmittelindustrie inbegriffen). Im Jahre 2002 entfiel auf China mehr als 70 % der gesamten Pilzproduktion (im Jahre 2013 – 85 %); nur 5 % davon wurden exportiert (meist nach Japan) und der Rest war für den einheimischen Gebrauch.
Japanische Traditionelle Medizin und Pilze
Die Traditionelle Chinesische Medizin, hauptsächlich während des 7. – 9. Jahrhunderts n.Chr. eingeführt, hat die Japanische Traditionelle Medizin (Kampo) beträchtlich beeinflusst.
Kampo ähnelt der Traditionellen Chinesischen Medizin, mit einer stärkeren Betonung auf die Verwendung von medizinischen „Kräutern“ (einschließlich Pilze, besonders Shiitake (Pasaniapilz). Shiitake war ein bekannter Heilpilz; im Jahre 199 AD erhielt der 14. japanische Herrscher Chuai den Shiitake-Pilz als ein Geschenk von einem Eingeborenenstamm.

Die Shiitake –Zucht war im feudalen Japan verbreitet. Die Dörfer, die an Prestige und zusätzlichen Handel erlangen wollten, haben buddhistische Mönche angezogen, indem sie Shiitake kultivierten, welche ihren Tempel nur unter der Voraussetzung angebaut haben, dass es eine reichliche Shiitake-Versorgung gab (was durch Anbau sichergestellt wurde).
Es gibt eine amüsante Geschichte, wie ein anderer, hochgeschätzter und köstlicher Heilpilz, nämlich Grifola frondosa (Laubporling) seinen japanischen Namen „Maitake“ (bedeutet: Tanzpilz) erhielt. Der Name stammt von Tanzen aus Freude, die man hat, wenn man ihn fand, ab. Eine Freude, die nicht schwer zu verstehen ist, wenn man weiß, dass sein Wert in Silber gemessen wurde.

Im Jahre 1936 gründete Dr. Kisaku Mori MD das Institut für Pilzforschung, um die Verwendung von Pilzen in Kampo zu kompilieren und zu studieren. Nach einer lebenslangen Erforschung der traditionellen Verwendung von Heilpilzen in Japan publizierte er die klassische Arbeit “Pilze als Reformkost“ im Jahre 1974.

Heilpilze wurden ebenfalls traditionell in Korea (insbesondere die endemische Art Phellinus linteus, Sang Hwang) und zu einem geringeren Grad in Vietnam, Thailand, Indien und anderen fernöstlichen Zivilisationen verwendet.
Die östlichen Zivilisationen respektieren und genießen die kulinarischen und gesundheitlichen Vorteile der Pilze gewiss viel mehr als der Westen.